Selbst Washington hatte sich in Form des demnächst aus seinem Amt ausscheidenden US-Präsidenten Barack Obama zuletzt in den in Europa schwelenden Steuerstreit eingemischt. Manche Beobachter wollten gar subtile Drohungen aus den Worten Obamas in Richtung der europäischen Regierungen und Brüssels herausgehört haben.

Unter anderem in den Niederlanden wird in diesen Tagen teils heftig über eine Reform der Konzern- und Unternehmenssteuergesetze debattiert. Im Fokus stehen amerikanische Konzernriesen, die in einer Reihe von Staaten Europas von einem bis dato laxen Steuersystem profitiert haben.

Technologieriesen: Offener Brief an Ministerpräsidenten der Niederlande

Da nimmt es nicht Wunder, dass Kritiker dem US-Präsidenten anrieten, sich um die eigenen Dinge in der Heimat zu kümmern, um eigene Konzernsteuerschlupflöcher zu stopfen, anstatt sich in die Belange und Angelegenheiten „souveräner“ (wirklich?) Staaten auf der anderen Seite des Atlantiks einzumischen und sich als Heilsbringer für amerikanische Konzerne zu gerieren.

Am Dienstag wurde publik, dass die Europäische Kommission den US-Technologieriesen Apple dazu auffordert, durch Irlands Regierung gewährte Steuerbeihilfen zwischen den Jahren 2003 und 2014 zurückzubezahlen. Es handelt sich dabei um einen kumulierten Betrag von 13 bis 14 Milliarden Euro. Bezeichnend ist, dass nicht nur Apple, sondern auch Dublin bekannt gegeben hat, gegen das Urteil in Berufung gehen zu wollen.

Wie dem auch sei, der Disput dürfte sich fortsetzen. Unterdessen haben acht amerikanische Technologieriesen einen offenen Brief an Niederlandes Premierminister Rutte geschrieben, um dessen Regierung davor zu warnen, dass eine Umsetzung der vorgeschlagenen Reformen die globale Wettbewerbsfähigkeit der Niederlande stark beeinträchtigen könnte.

Pläne zur Bekämpfung der Steuervermeidung

Kritiker fassten dies als abermalige Drohung aus den Vereinigten Staaten auf. Wie aus einem gemeinsam verfassten Strategiepapier der Konzerne hervorgeht, herrsche die Sorge vor, dass Pläne zur Bekämpfung der Steuervermeidung im niederländischen Firmensektor international aktive Investoren in der Zukunft ab- und verschrecken könnten.

Zu den unterzeichnenden Unternehmen gehören unter anderem Apple, Google, Amazon und Cisco Systems. Der Brief der US-Konzernassoziation wurde im Mai nach einem im Februar dieses Jahres stattfindenden Besuch Ruttes im kalifornischen Silicon Valley verfasst, in dessen Rahmen der niederländische Premier US-Konzernführern reinen Wein über die Pläne seiner Regierung eingeschenkt hatte.

Immerhin war Rutte so höflich, um die Konzerne um eine Antwort auf die Frage zu ersuchen, welche Schritte die Niederlande denn unternehmen könnten, um das heimische Steuerumfeld zu verbessern. Die in oben verlinktem Brief erhaltene Antwort der Steuerdirektorgruppe aus dem kalifornischen Silicon Valley listete Rutte eine Reihe von Steueranreizen auf, von denen insbesondere ausländische Konzerne in den Niederlanden profitieren.

Eine Drohung in Richtung Den Haag

Vorauseilend wurde dem niederländischen Premier in dem Antwortbrief vorsorglich schon einmal beschieden, dass eine Abschaffung einer oder mehrerer der bislang noch gültigen Steuerparagraphen bestehende Investments von US-Konzernen in den Niederlanden negativ beeinträchtigen wird. Gleichzeitig werde auch der Kapitalfluss aus den Vereinigten Staaten in Richtung der Niederlande deutlich abnehmen, so die Warnung.

Aus diesem Grund solle die niederländische Regierung äußerst vorsichtig abwägen, ob das derzeit Bestand habende Steuersystem im Land tatsächlich geändert werden soll. Weiter geht aus dem Brief der US-Konzerne hervor, dass die durch die EU-Kommission eingeleiteten Ermittlungen in Sachen Staatsbeihilfen keiner „guten Entwicklungen entsprechen“. Wer an den bestehenden Steuergesetzen in Europa rütteln wolle, müsse sich über einige unangenehme Entwicklungen gewahr sein.

Ein neuer politischer Graben zwischen Brüssel und Washington?

Dazu zähle eine Verschlechterung des Investitionsklimas in den Niederlanden, das in einer rückläufigen Auslandsinvestitionstätigkeit sowie zunehmenden Jobverlusten führen werde. Gleichzeitig wurde der niederländischen Regierung empfohlen, die Unternehmenssteuer in Höhe von 25% auf unter 20% zu senken. Nur auf diese Weise würden die Niederlande im Wettbewerb mit Großbritannien, Irland und der Schweiz verbleiben können.

Dass sich hier ein neuer politischer Graben nach dem sich abzeichnenden Scheitern von TTIP zwischen Washington und Brüssel auftut, ist unverkennbar. Deutlich wird auch, auf welche Weise nicht nur Washington, sondern auch Konzerne in den Vereinigten Staaten direkten Einfluss auf Entscheidungen von europäischen Regierungen zu nehmen versuchen.

Es stellt sich die Frage, wie lange die EU-Kommission in diesem Spiel den „Bad Guy“ geben kann, ohne durch Washington zurückgepfiffen zu werden.   

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